Buchtipp des Monats
Buchtipp des Monats
Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor
Mai 2021
Joke van Leeuwen: Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor (ab 11)
Hildesheim: Gerstenberg, 2012.
119 S.; € 13, 90
Nicht nur der Titel des Buches ist ungewöhnlich, auch die Geschichte, die hier erzählt wird, bleibt lange im Gedächtnis.
Die Ich-Erzählerin wächst bei ihrem Vater, einem Konditor, der täglich 20 Sorten Kuchen und drei Sorten Torten bäckt, auf. Sie ist ein glückliches Mädchen, auch ohne Mutter, die die Familie schon verlassen hat, bevor die Protagonistin ein Jahr alt wurde. Als der Krieg immer näher rückt, – es bleibt völlig offen, um welchen es sich handelt und wo er stattfindet – wird ihr Vater als Soldat eingezogen. Die Absurdität von Kriegen wird auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass ganz einfach die einen gegen die anderen kämpfen (z. B. im dritten Neidstreit) und niemand recht weiß, warum und wozu.
Unsere Protagonistin wird nun mit ganz wenig Habseligkeiten auf eine weite Reise zu ihrer unbekannten Mutter geschickt, die „woanders“ – im Ausland – lebt. Ihr Weg führt sie zuerst zusammen mit vielen anderen Kindern per Bus, dann mittels Schlepper weiter mit dem Auto, schließlich alleine zu Fuß über die Grenze, in ein Land, in dem niemand ihren Namen aussprechen kann, sodass nur mehr die letzten vier Buchstaben "Toda" übrigbleiben. Sehr humorvoll gestaltet die Autorin die Passagen, in denen es um das Erlernen der neuen Sprache geht. „Hödelö! Wu nöje sinsel hirre?“ (=Hallo! Wo sind wir hier?)
Auf ihrer Reise trifft sie die unterschiedlichsten Typen, manche liebenswürdig, wie der schüchterne Kommandant, mit dem Toda das Kommandieren übt, manche schrecklich, wie der General im Ruhestand und dessen unmögliche Frau.
Wenn ihr wissen wollt, was es mit dem väterlichen Busch auf sich hat, müsst ihr das Buch selbst lesen. Alle, die außergewöhnliche Lektüre bevorzugen, sind damit bestens beraten. Ein einfühlsames Buch über schwierige Themen wie Flucht und Krieg mit erstaunlich feinem Humor.
Mag. Ingrid Brandl